Spielen bleibt die Hauptsache
Das Spiel der Kinder verändert sich mit zunehmendem Alter. Aber auch im späteren Kleinkind- und im Vorschulalter bleibt Spielen „die Hauptsache“.
Wenn Sie Ihr Kind beim Spielen mit anderen Kindern beobachten, werden Sie wahrscheinlich immer öfter erleben, dass es in Rollen schlüpft – Indianer, Ärztin, Lehrer oder „Räuberhauptfrau“. Dabei entwickeln Kinder eine rege Fantasie und probieren vieles aus, was sie für das soziale Miteinander brauchen. Gleichzeitig wird auch ihr Wunsch, sich mit anderen zu messen und mit ihnen in Wettstreit zu treten, vermutlich wachsen – sei es beim Bauen, Malen, Laufen oder Fußballspielen. Und stärker als bisher wird es Ihrem Kind beim Spiel auch darum gehen, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dabei kommen ihm seine zunehmende körperliche Geschicklichkeit sowie die Anfänge des logischen Denkens zu Hilfe.
Fantasie ohne Grenzen
Kinder haben eine oft überbordende Fantasie. Sie denken sich Figuren und ganze Geschichten selbst aus und verknüpfen sie im Spiel mit eigenen Erlebnissen und Erfahrungen. Besonders deutlich wird das in sogenannten Rollenspielen, die bei Kindern in diesem Alter (sowie auch noch darüber hinaus) einen Großteil ihrer Spielzeit füllen. Mit verteilten Rollen tauchen die Kinder in Fantasiewelten ein; sie verstecken sich als Räuber in Höhlen, schleichen als „Monster-Fänger“ durch die Wohnung, spielen „Vater-Mutter-Kind“ oder eröffnen einen Friseursalon.
„Wer will fleißige Handwerker sehn ...“
Im Alter von drei bis vier Jahren beginnen Kinder, mit Klötzen und Bausteinen alle möglichen „Räume“ zu bauen – ein Haus für die Puppe, eine Garage für die Spielzeugautos, ein Stall für die Gummitiere –, die kleinen Bauherrinnen und Bauherren überraschen uns mit erstaunlichen Schöpfungen.
Bis zum fünften Lebensjahr ist das räumliche Vorstellungsvermögen von Kindern so weit entwickelt, dass sie auch komplizierte Gebilde wie Flugzeuge oder Schiffe bauen können. Dafür brauchen sie natürlich Baumaterial: Neben Klötzen und Bausteinen eignen sich alle möglichen Materialien wie Pappe und Kartons, Stöckchen, Ton, Sand oder Steine.
Freude macht Kindern in diesem Alter auch das Malen und Basteln. Stifte, Schere und Klebstoff sowie beispielsweise auch Stoffreste oder Pappen in verschiedenen Formen und Farben sollten spätestens jetzt in jedem Kinderzimmer zu finden sein. Solche „handwerklichen“ Tätigkeiten wie Malen, Basteln, Bauen und Kombinieren fördern die Kreativität und schulen die Feinmotorik. (Mehr zur feinmotorischen Entwicklung siehe „Vom Greifen bis zur Fingerfertigkeit“)
„Mensch ärgere dich nicht!“
Ab etwa drei Jahren fangen die meisten Kinder an, Freude an Regelspielen zu entwickeln (zum Beispiel Ringelreihen, Häschen in der Grube). Zu den Regelspielen zählen auch die sogenannten Gesellschaftsspiele (Brettspiele, Kartenspiele). Diese Spiele haben festgelegte Regeln, die eingehalten werden müssen.
Kinder lernen erst allmählich, diese Regeln zu verstehen und einzuhalten. Einfache Regeln werden meist fraglos befolgt. Es kann aber auch durchaus passieren, dass ein Kind sich zunächst noch gegen die Regeln verhält oder seinen ganz eigenen Regeln folgt. Es will dann nicht „schummeln“, sondern ist einfach noch nicht so weit oder hat die Regeln noch nicht richtig verstanden.
Gibt es bei dem Spiel Gewinner und Verlierer, ist es manchmal vielleicht schwer, sich an die Regeln zu halten. Deshalb braucht das Kind hier anfangs meist noch einen erwachsenen Spielpartner oder eine Spielpartnerin, der oder die auch mal ein bisschen nachhilft, damit keine andauernde Pechsträhne die Spielfreude trübt. In diesem Alter muss Ihr Kind noch nicht „verlieren können“, das lernt es erst.
Bewegung wird großgeschrieben
Laufen, hüpfen, fahren – mit drei, vier Jahren festigen, verbessern und erweitern Kinder ihre körperlichen Fähigkeiten vor allem durch vielfältige Aktivitäten im Freien. Beim Klettern, Rennen, Laufrad- oder Rollerfahren werden sie zusehends sicherer und laufen weniger Gefahr, sich dabei ernsthaft zu verletzen. Zugleich gewinnen sie auch an „innerer Sicherheit“ – an Selbstsicherheit und Selbstvertrauen. Kurzum: Bewegung tut Ihrem Kind rundum gut!
Bälle, Hüpfseile oder Wurfscheiben werden zu beliebten Spielgeräten und natürlich alles, was „in Bewegung ist“. Je nach Alter und Entwicklungsstand des Kindes zählen dazu Roller, Schlitten, Gokart, Fahrrad, Inliner.
Miteinander wettstreiten
Mit zunehmendem Alter wollen sich Kinder gern im Wettstreit mit anderen messen. Spätestens im Vorschulalter sind deshalb Sportvereine eine gute Adresse. Wenn Ihr Kind eine Behinderung hat, schauen Sie sich nach inklusiven Sportgruppen um, wie sie immer häufiger von den Turn- und Sportvereinen vor Ort angeboten werden. Je nach Vorlieben und Begabung finden sich auch im Behindertensport viele geeignete Angebote. Bei der gemeinsamen Freude an Sport und Bewegung können Kinder nicht nur ihre körperliche und geistige Leistungsfähigkeit erhalten und steigern, sondern auch Hemmungen überwinden und Freundschaften knüpfen.
Von kleinen „Stubenhockern“
Kinder sind unterschiedlich, auch was den Bewegungsdrang betrifft. Manche Kinder verbringen ihre Zeit am liebsten zu Hause mit Malen, mit einem schönen Bilderbuch, mit der Baukiste oder auch am Computer. Gerade mit zunehmendem Alter neigen manche Kinder dazu, zu „Stubenhockern“ zu werden.
In einem solchen Fall sollten Sie gemeinsam mit Ihrem Kind nach Aktivitäten suchen, die es vielleicht doch nach draußen „locken“ können: Vielleicht hat es Lust, mit anderen Kindern zusammen in einem Verein Sport zu treiben? Vielleicht lässt sich der Spielplatzbesuch bei trübem Wetter durch eine Tasse heißen Kakao im Anschluss etwas „versüßen“? Oder wie wäre es ab und zu mit einem gemeinsamen Besuch im Schwimmbad?
Geben Sie nicht so schnell auf und planen Sie auch am Wochenende regelmäßig Unternehmungen mit der ganzen Familie an der frischen Luft ein. Denn das beste Vorbild in Sachen Bewegung sind Sie! Nehmen Sie auch im Alltag öfter mal das Fahrrad und lassen Sie das Auto stehen! Steigen Sie mit Ihrem Kind die Treppen hoch, statt den Aufzug zu nehmen! Und spielen, hüpfen, laufen, werfen Sie doch einfach mit, wenn Sie mit Ihrem Kind im Garten oder Park sind!
15.000 Stunden spielen ...
Mit dem Älterwerden des Kindes denken viele Eltern daran, ihr Kind durch spezielle Kurse (Musik, Turnen usw.) zusätzlich zu fördern und ihm besondere Erfahrungsmöglichkeiten zu eröffnen. Das ist eine schöne Sache, und wenn Ihr Kind das gern tut, ist nichts dagegen einzuwenden. Allerdings sollte es bei höchstens zwei Kursen pro Woche bleiben. Denn Kinder, die die ganze Woche über in Musikunterricht oder Ponyreiten eingespannt sind, haben zu wenig Gelegenheit, ihre Zeit selbst einzuteilen und nach Lust und Laune zu gestalten.
Grundsätzlich gilt: Auch nach dem dritten Lebensjahr sollte freies Spielen den größten Anteil im Tagesablauf Ihres Kindes haben. Kindertagesstätten bieten in diesem Punkt besonders gute Möglichkeiten. Hier kann Ihr Kind gemeinsam mit anderen Spielen in seinen ganz unterschiedlichsten Formen erleben.
Übrigens: Spielforscher gehen davon aus, dass Kinder bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr ca. 15.000 Stunden gespielt haben sollten, das sind ca. 7 Stunden pro Tag!
Schöpferische Langeweile
Manche Eltern meinen, sie müssten „Programm“ für ihre Kinder machen, damit diese zu Hause nicht nur „herumhängen“ und „nichts Vernünftiges“ tun. Aber auch „Herumhängen“ kann sinnvoll sein, denn daraus entstehen oft die schönsten Spielideen. Kreativität braucht oft ein gewisses Maß an „schöpferischer Langeweile“. Wird die Langeweile schnell durch Vorschläge oder Programme ausgefüllt, gewöhnt sich das Kind daran, das Ausbrüten von Ideen anderen zu überlassen, und kann die Kreativität, die in ihm steckt, gar nicht erst entfalten.
Kinder brauchen ab und zu „Leerlauf“ – um sich zu entspannen, zur Ruhe zu kommen und um aus sich selbst heraus neue Ideen zu entwickeln. Deshalb: Wenn sich Ihr Kind langweilt, erst mal abwarten, höchstens ein paar Anregungen geben („Du könntest doch mal wieder …“), aber nicht gleich den nächsten fertigen Programmpunkt anbieten. Früher oder später entwickelt Ihr Kind eine neue Idee – manchmal braucht es nur einfach ein bisschen Zeit, um sich klar zu werden, was es eigentlich möchte.