Rollenspiele: Spielend hinein in die Welt der „Großen“
Ob Einhorn, Superman oder Kinderärztin: Nicht nur an Karneval schlüpfen Kinder gern in Rollen. Und dabei lernen sie eine ganze Menge.
An Spielformen, die „Rollenspiel“ genannt werden, können Sie sich wahrscheinlich selbst noch gut erinnern, wenn Sie an Ihre Kindheit zurückdenken: Zusammen mit den Freundinnen und Freunden aus Nachbarschaft oder Kindertagesstätte spielte man in verteilten Rollen zum Beispiel „Mutter, Vater, Kind“, „Krankenhaus“, „Räuberbande“ oder „Katzenfamilie“.
Meist werden Situationen aus dem Alltagsleben oder Szenen aus Büchern oder Filmen nachgespielt, ergänzt oder „umgeschrieben“. Und oft werden Themen aufgenommen, die die Kinder gerade besonders beschäftigen, zum Beispiel „Krankenhaus“ oder „Arztbesuch“, wenn im näheren Umfeld gerade jemand krank war oder ist. Deshalb verrät das Rollenspiel viel über das Erleben von Kindern, häufig auch, welche Sorgen und Nöte sie vielleicht beschäftigen.
Rollenspiele „wachsen mit“
Rollenspiele setzen mit ungefähr drei Jahren ein, machen Kindern aber oft bis weit in die Grundschulzeit hinein Freude. Für die Kita- und Vorschulzeit sind sie eine sehr typische und häufige Form des Spielens.
Bei den ersten Rollenspielen im Alter von ungefähr drei Jahren handelt es sich zunächst um ganz einfache Geschichten. Schließlich müssen die Kleinen dafür schon eine ganze Menge können:
- Sie müssen sich eine „Handlung“ überlegen („Wir sind Kätzchen und suchen uns was zu Fressen.“) und ihre Rollen ausdenken („Ich bin die Babykatze und du die Mama-Katze.“).
- Sie müssen schon so gut sprechen können, dass sie sich untereinander einigen können, was genau sie spielen wollen und wer welche Rolle spielt.
- Und sie müssen im Stande sein, ihre Rolle für eine gewisse Zeit durchzuhalten, was gerade den Kleinen manchmal schwerfällt.
Spätestens mit vier Jahren spielen fast alle Kinder Rollenspiele, und um den fünften Geburtstag herum kommt eine weitere Fähigkeit der Kinder hinzu, durch die immer kompliziertere und längere Rollenspiele möglich werden: Sie können nun ein Spiel schon zu Beginn planen, verschiedene Handlungsstränge entwickeln und sich auch immer besser darüber verständigen. So kann man nun beobachten, wie Kinder gemeinsam eine Spielidee entwickeln und den Ablauf des Spiels besprechen. Auch wird darüber verhandelt, wer mitspielen darf und wer nicht.
Warum Rollenspiele so wichtig sind
In ihren Rollenspielen machen Kinder wichtige Erfahrungen und spielen sich sozusagen „in die Welt der Erwachsenen hinein“. Das heißt konkret:
1. Im Rollenspiel setzt sich das Kind mit der Welt der Erwachsenen auseinander. Es spielt Alltagssituationen nach und entwickelt hierbei Verständnis für die Welt der Erwachsenen, ihre Aufgaben und Rollen im täglichen Leben und setzt sich spielerisch auch mit verschiedenen Berufen auseinander.
2. Im Rollenspiel lernt das Kind, sich in andere hineinzufühlen. Es schlüpft in verschiedene Rollen, ist mal Vater oder Mutter, Polizistin, Kinderarzt oder Busfahrerin. Es nimmt verschiedene Sichtweisen ein und lernt, die Welt auch „mit anderen Augen“ zu sehen und sich in andere hineinzuversetzen.
3. Im Rollenspiel wird Sozialverhalten geübt. In gemeinsamen Rollenspielen müssen sich Kinder untereinander absprechen und beispielsweise über die Rollenverteilung und den Verlauf der Handlung einigen. So lernen sie, sich in eine Gruppe einzufügen, tolerant zu sein, aber auch eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen, durchzusetzen oder Kompromisse zu schließen. Dabei lernen Kinder auch voneinander, indem sie sich gegenseitig beobachten.
4. Im Rollenspiel lernt und übt ein Kind, Regeln einzuhalten. Im Laufe des Spiels versteht das Kind, wozu Regeln da sind. Und es fällt ihm leichter, Dinge zu tun, die ihm sonst vielleicht schwerfallen, jetzt aber zu seiner Rolle gehören, beispielsweise zu teilen, zu schweigen, stillzuhalten oder Ausdauer zu zeigen.
5. Das Rollenspiel hilft, Erlebnisse zu verarbeiten und Ängste abzubauen. Indem Kinder das, was sie erlebt haben, im Rollenspiel darstellen, können sie es leichter verarbeiten. Auch Ängste können auf diese Weise bearbeitet werden: So versucht beispielsweise manches Kind, seine Angst vor Hunden zu überwinden, indem es selbst immer wieder spielt, ein Hund zu sein.
6. Im Rollenspiel kann ein Kind innere Konflikte „ausleben“. Zum Beispiel: Ein Kind, das keine Schimpfwörter sagen darf, lässt einfach seine Puppe diese Wörter sagen, um diese dann „als Mutter“ gleich zu schelten. Das Kind spielt die Rolle des „unartigen Puppenkindes“ und lebt dabei aus, was es nicht darf. Zugleich schlüpft es in die Rolle der Mutter, die schimpft, und hält sich damit wieder an die mütterlichen Regeln.
7. Im Rollenspiel üben Kinder ihre Sprach- und Ausdrucksfähigkeit. Sie lernen neue Wörter kennen und lernen, sich immer besser auszudrücken und andere zu verstehen.
Wie Sie das Rollenspiel Ihres Kindes unterstützen können
- Verkleidung, Schminke und Requisiten erleichtern Kindern den Einstieg in ein Rollenspiel. Legen Sie am besten eine „Materialsammlung“ für Verkleidungen an, mit abgelegter Kleidung und Schmuck, alten Hüten, Tüchern, aber zum Beispiel auch Verbandszeug oder Plastikgeschirr. Sie muss nicht vollständig sein – in Wohnung und Kinderzimmer findet sich immer irgendetwas, das man mit etwas Fantasie zum benötigten Gegenstand „umfunktionieren“ kann.
- Die Spielwarenindustrie bietet viele „echt“ wirkende Requisiten an, wie zum Beispiel Arztköfferchen oder Zubehör für die „Kinderpost“. Sie sind oft schön, aber nicht nötig, denn die Fantasie Ihres Kindes kennt (fast) keine Grenzen. Außerdem: Sind Spielrequisiten den echten Gegenständen zu ähnlich, sind sie nicht mehr so vielseitig verwendbar.
- Erwachsene tun sich oft schwer, mit rollenden Augen und verstellter Stimme ein Monster zu spielen oder als Löwe brüllend durch einen imaginären Urwald zu schleichen. Versuchen Sie es trotzdem!
- Überlassen Sie also Ihrem Kind die Regie. Fragen Sie: „Was soll ich sein?“ oder „Bin ich ein guter oder ein böser Löwe?“
- Im Gegenzug können Sie auch einmal ein Spiel unter Ihrer Regie vorschlagen, wenn sie zum Beispiel Ihr Kind auf einen Besuch beim Arzt oder bei der Ärztin vorbereiten wollen. Sie übernehmen die Rolle des Kinderarztes oder der Kinderärztin und vermitteln, was da geschehen wird.