Resilienz oder was die Psyche im Gleichgewicht hält

0-6 Jahre cc by-nc-nd Der Text dieser Seite ist, soweit es nicht anders vermerkt ist, urheberrechtlich geschützt und lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Nicht kommerziell-Keine Bearbeitung Lizenz 3.0 Germany. Bitte beachten Sie unsere Verwendungshinweise. 09.08.2024

Psychische Gesundheit und Widerstandsfähigkeit (Resilienz) sind nicht angeboren, sondern entwickeln sich aus den Erfahrungen, die Ihr Kind mit Ihnen und seiner Umwelt macht.

Vater guckt Kind in der Küche beim Karottenschälen zu
© Thinkstock

Psychische Stärke und Ausgeglichenheit erwirbt Ihr Kind im Alltag – im täglichen Umgang mit ihm, aus den Erfahrungen, die es im Miteinander mit Ihnen und anderen Bezugspersonen und mit seiner Umwelt macht, wenn es sich körperlich und seelisch gleichermaßen wohlfühlen kann.

Persönliche Stärken entwickeln

Als Eltern müssen Sie also kein besonderes Programm starten, damit Ihr Kind jene Fähigkeiten und Eigenschaften entwickeln kann, die ihm den Alltag erleichtern und ihm ermöglichen, auch schwierige Lebenssituationen unbeschadet zu bewältigen. Hierzu beispielhaft ein paar Stichworte:

  • Selbstwirksamkeit: Durch eigenes Tun etwas bewirken zu können, Bewusstsein für die eigene Tüchtigkeit haben, überzeugt davon sein, etwas selbst, aus eigener Kraft meistern zu können.
    Von Geburt an hat ein Kind den Wunsch, die Gesetzmäßigkeiten und Regeln seiner Welt zu erkennen und auf seine Umgebung aktiv einzuwirken. Es gehört zu seinen angeborenen Bedürfnissen, durch eigenes Tun etwas bewirken zu können. Bereits als junges Baby erlebt Ihr Kind erste Gefühle der Selbstwirksamkeit und beginnt, seinen Einfluss auf andere wahrzunehmen: Wenn es sich auf bestimmte Weise verhält, zum Beispiel schreit, versuchen Sie, die Ursache des Schreiens zu beheben und es zu trösten, wenn es Sie anlächelt, lächeln Sie zurück. 
  • Selbstwertgefühl: Sich und seine Fähigkeiten schätzen und einschätzen können, seine Stärken und Schwächen kennen, sich wertvoll fühlen, sich etwas zutrauen.
    Selbstwertgefühl kann Ihr Kind nur dann entwickeln, wenn es sich mit all seinen Stärken und Schwächen geliebt und angenommen fühlt, wenn es Aufmerksamkeit und Interesse für seine Tätigkeiten erfährt.
  • Selbstvertrauen: Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Zuversicht, mit Schwierigkeiten umgehen zu können.
    Eigenaktivität und frühzeitiges Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten stärken das Selbstbewusstsein Ihres Kindes. Ihr Lob und Ihre Ermutigung bestätigen Ihr Kind und helfen ihm, eigene Stärken und Schwächen zu erkennen und damit umzugehen. Auf Basis seines Selbstvertrauens kann Ihr Kind Vertrauen auch zu anderen Menschen entwickeln und zuversichtlich die Welt erobern, Erfahrungen mit den eigenen Möglichkeiten und Grenzen sammeln und ein gutes Selbstbewusstsein entwickeln. Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein versetzen Ihr Kind in die Lage, auch schwierige Lebensphasen aus eigener Kraft zu bewältigen, Enttäuschungen auszuhalten, Misserfolge zu verkraften und auch Rückschläge anzunehmen.
  • Selbstständigkeit: Eigenständiges Handeln und Tun, die Bereitschaft und Fähigkeit, selbst die Verantwortung für sein Wohlbefinden zu übernehmen.
    Jedes Kind hat den angeborenen Wunsch, selbst aktiv und dabei immer selbstständiger zu werden. Hierzu braucht Ihr Kind ausreichend Gelegenheit, sein Können – beispielsweise selbstständig mit dem Löffel essen, mit Messer und Gabel hantieren – im Alltag auch anzuwenden und zu nutzen. Gleichzeitig braucht es noch deutlich Ihren Schutz. Als Eltern müssen Sie beide Bedürfnisse Ihres Kindes so gut wie möglich miteinander verbinden: Das Kind sollte weder zu sehr behütet und durch übertriebene Sorge verunsichert werden, noch sollte es Gefahr laufen, dass ihm etwas geschieht.
  • Durchhaltevermögen: Mit Geduld und Ausdauer ein Ziel verfolgen, sich von Rückschlägen und Misserfolgen nicht gleich beirren lassen, seinen eigenen Fähigkeiten trauen und sich etwas zutrauen.
    Kinder können sehr beharrlich und ausdauernd sein: Wenn sie dabei sind, eine neue Fähigkeit zu entwickeln oder hinter etwas Neues zu kommen, bemühen sie sich so lange, bis sie etwas „aus dem Effeff“ beherrschen oder das Ergebnis ihre kindlichen Erwartungen und Vorstellungen befriedigt. Oft genug ist hierbei auch Ihre Geduld und Ausdauer gefragt, wenn sich Ihr Kind zum Beispiel beharrlich mit den Knöpfen an seiner Jacke beschäftigt, bis diese ganz zugeknöpft ist, während Sie vielleicht schon längst unterwegs sein wollten. Oder wenn der Stapel aus Bauklötzen so lange umkippt, bis das Kind selbst dahinter gekommen ist, dass es den größten Würfel besser zuunterst legt. Geben Sie Ihrem Kind Zeit und Raum, um eigene Lösungen zu finden und selbst zu tun, was es schon kann. Ihr Lob, wenn es etwas geschafft hat, bestärkt und ermutigt Ihr Kind.
  • Konfliktfähigkeit: Konflikte aushalten und austragen können statt sie zu verdrängen, sich streiten und  wieder „vertragen“ können.
    Ob und wie Ihr Kind Konflikte austrägt, wie es sich in Auseinandersetzungen, beispielsweise in der Schule, verhält, hängt entscheidend davon ab, welche Erfahrungen es zu Hause, in der Familie macht – wie Sie mit unterschiedlichen Meinungen und Ansichten umgehen, ob Konflikte in der Familie „erlaubt“ sind und wie man nach einem Streit auch wieder aufeinander zugeht. Ihr Kind sollte sich grundsätzlicher Wertschätzung sicher sein, seine Interessen wahrnehmen und auch ausdrücken können. Es sollte im Alltag die Erfahrung machen, dass seine Meinung ebenso wie die der anderen gehört und respektiert wird, manchmal aber auch Kompromisse nötig sind. 
  • Mitgefühl und Nachempfinden (Empathie): sich in andere hineinversetzen, deren Gefühle, Erlebnisse und Vorstellungen nachempfinden, vielschichtige Absichten und Gefühle verstehen und durchschauen zu können.
    Mitgefühl oder Empathie ist eine Grundvoraussetzung, um fair handeln und zum Beispiel teilen oder Rücksicht nehmen zu können. Diese Fähigkeit ist eng mit dem Selbstempfinden und der Ich-Entwicklung Ihres Kindes wie auch mit seiner sozialen Entwicklung verknüpft. Notwendige Erfahrungen hierfür macht bereits das Baby, wenn es durch Ihre Nähe und Zuwendung erfährt, dass es verstanden und angenommen wird, seine Fortschritte und Aktivitäten wahrgenommen und beantwortet werden. 

Zusammenspiel mit weiteren Faktoren

Wenn Sie Ihr Kind mit all seinen Eigenheiten kennenlernen, seine Grundbedürfnisse angemessen befriedigen und bereit sind, sich von seinen alters- und entwicklungsspezifischen Bedürfnissen leiten zu lassen, sind dies beste Voraussetzungen dafür, dass Ihr Kind mit Ihrer Unterstützung diese und andere Fähigkeiten und Eigenschaften entwickeln kann. 

Natürlich sind es nicht diese persönlichen Eigenschaften allein, die eine psychisch gesunde Entwicklung ausmachen und auch bei Belastungen und besonderen Herausforderungen für ein inneres Gleichgewicht sorgen. Sie sind eine gute persönliche „Ausstattung“, die jedoch das Zusammenspiel mit möglichst unterstützenden äußeren Lebensbedingungen – zum Beispiel gute Betreuungsangebot, Schule, Freizeitmöglichkeiten – und zuverlässigen Bezugspersonen in und außerhalb der Familie braucht. 

Insbesondere mit der Gewissheit, dass es jederzeit bei Ihnen und anderen Menschen in seinem Umfeld, Sicherheit und Halt, Hilfe und Unterstützung finden kann, wenn es sie braucht, stehen die Chancen gut, dass Ihr Kind auch in vielleicht schwierigen Lebenssituationen das Großwerden gut meistern wird.

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Was Eltern wissen wollen