Frühförderung – gezielte Unterstützung bei frühzeitig erkannten Problemen

0-6 Jahre 09.08.2024

Wenn ein Kind in seiner Entwicklung verzögert ist oder Auffälligkeiten zeigt, kann eine rechtzeitige Frühförderung mögliche Folgen häufig mildern oder beheben.

Junge spielt im Frühförderungskurs mit Ball
© Dan Race/fotolia

In den frühkindlichen Entwicklungsphasen ist noch vieles beeinflussbar

Vieles muss gelernt und erfahren werden, bis ein kleines Kind sich beispielsweise das erste Mal aufrichtet und die ersten Schritte wagt. Auch die ersten Worte sind das Ergebnis einer Entwicklung, die schon lange vorher begonnen hat. Jedes Kind hat hierbei sein eigenes Tempo und seine eigenen Stärken und Schwächen. Manchmal kann es jedoch sein, dass etwas nicht mehr im Rahmen der normalen Spannbreite der kindlichen Entwicklung liegt, dass es Verzögerungen oder Auffälligkeiten gibt, die eine spezielle Unterstützung des Kindes erfordern.

Sicher ist es für Eltern zunächst ein Schock, wenn der Kinderarzt oder die Kinderärztin ihnen mitteilen muss, dass bei ihrem Kind etwas nicht in Ordnung ist, dass es möglicherweise behindert oder von Behinderung bedroht ist. Doch je früher eine solche Beeinträchtigung oder Auffälligkeit in der kindlichen Entwicklung festgestellt wird, desto besser kann vorgebeugt und geholfen werden. Gerade in den frühkindlichen Entwicklungsphasen lässt sich noch vieles beeinflussen. So kann eine früh einsetzende individuelle Förderung das Auftreten von Behinderung oftmals verhüten sowie bestehende Behinderungen und deren Folgen beheben oder zumindest mildern - damit ein Kind die bestmögliche Chance für die Entfaltung seiner Persönlichkeit und für die Entwicklung zu einem selbstbestimmten Leben erhält.

Familiennahe Hilfen für betroffene Kinder und deren Familien

Um Kindern und deren Familien im Bedarfsfall die bestmögliche Unterstützung bieten zu können, wurden in Deutschland zwei Einrichtungen geschaffen:

  • Sozialpädiatrische Zentren und sogenannte Frühförderstellen.

Als familien- und wohnortnahe Einrichtungen bieten interdisziplinäre Frühförderstellen medizinische, pädagogische, psychologische und soziale Hilfen für Familien behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder vom Säuglingsalter bis zum Schuleintritt an. Ihr Schwerpunkt liegt auf einer pädagogisch-psychologisch orientierten und beratenden Hilfe.

Sozialpädiatrische Zentren sind ebenfalls fachübergreifend arbeitende Einrichtungen. Sie sind medizinisch-therapeutisch orientiert und stehen fachlich-medizinisch unter ständiger ärztlicher Leitung. Zu ihren vornehmlichen Aufgaben gehören die die Diagnostik und Behandlung von Kindern und Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr, die aufgrund der Art, Schwere und Dauer der Erkrankung nicht in einer geeigneten ärztlichen Praxis oder in geeigneten interdisziplinären Frühförderstellen behandelt werden können. Sozialpädiatrische Zentren arbeiten nur im Auftrag und auf Überweisung niedergelassener Vertragsärzte und -ärztinnen. Da sie unterschiedlich ausgerichtet sind, können Kinder mit den verschiedensten Krankheits- und Störungsbildern hier untersucht und behandelt werden.

Beiden Einrichtungen gemeinsam ist, dass sie nicht nur die entsprechenden Behandlungen und Fördermaßnahmen für das Kind anbieten, sondern sich auch gezielt an die betroffenen Eltern wenden, zum Beispiel mit Informationen, Anregungen und Anleitungen zur Förderung ihres Kindes. Zu den besonderen Aufgaben der Frühförderung gehört es auch, Eltern darin zu unterstützen, sich mit der möglichen Beeinträchtigung ihres Kindes auseinanderzusetzen und sie anzunehmen, ihnen Hilfen bei der Erziehung zu bieten und sie über rechtliche Gegebenheiten und finanzielle Hilfen zu informieren und zu beraten.

Frühförderung basiert auf einem ganzheitlichen Konzept

Der Frühförderung liegt immer ein ganzheitlicher Hilfeansatz zugrunde. Das heißt, sie umfasst aufeinander abgestimmte medizinische, psychologische, soziale und pädagogische Maßnahmen, die zusammenwirken und das Kind selbst wie auch seine nächste Umgebung – die Familie – miteinbeziehen. In diesem Sinne umfasst das Angebot der Frühförderung:

  • Diagnostik, in der Regel durch den Kinderarzt oder die Kinderärztin, gegebenenfalls mit fachärztlicher Einbeziehung, oder – nach ärztlicher Überweisung – durch ein Sozialpädiatrisches Zentrum,
  • Therapie,
  • pädagogische Förderung,
  • Beratung, Anleitung und Unterstützung der Eltern.

Diesem ganzheitlichen Konzept entsprechend sind an der Frühförderung unterschiedliche Berufsgruppen beteiligt, die sich gegenseitig ergänzen. Dies sind beispielsweise Ärzte und Ärztinnen der Kinder- und Jugendmedizin, Psychologen und Psychologinnen, pädagogische und heilpädagogische Fachleute, Fachkräfte der Logopädie, Physiotherapie und der Ergotherapie. Durch dieses Zusammenwirken unterschiedlicher Qualifikationen können die speziellen Fördermaßnahmen zeitnah und unkompliziert umgesetzt werden.

Eine umfassende Diagnostik ermöglicht gezielt eingesetzte Hilfe

Ein Behandlungsplan zur Frühförderung sollte immer erst aufgrund einer umfassenden Diagnostik erstellt werden. Hierzu gehören:

  • Untersuchung der allgemeinen Entwicklung und der Intelligenz,
  • körperliche und neurologische Untersuchung,
  • psychischer Befund
  • Einschätzung des sozialen Verhaltens und der emotionalen Entwicklung des Kindes sowie der Entwicklungsbedingungen, der Stärken und Ressourcen der Familie,
  • Abklärung der Entstehung und des Verlaufs der Störung.

Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse wird in Zusammenarbeit mit den Eltern ein individueller Förder- und Behandlungsplan erstellt. Dieser sollte sich natürlich an den Gegebenheiten in der Familie und im Alltag orientieren, damit die Unterstützungsmaßnahmen auch tatsächlich umgesetzt werden können.

Ziele und Schwerpunkte der Förderung hängen von den festgestellten Problemen ab

Ziel der Frühförderung ist es, eine drohende oder bereits eingetretene Behinderung so früh wie möglich zu erkennen und das Kind durch entsprechende Förder- und Behandlungsmaßnahmen in seinen körperlichen, seelischen und sozialen Fähigkeiten gezielt zu unterstützen. Je nachdem, in welchem Bereich besondere Probleme auftreten, werden hierbei bestimmte Förderschwerpunkte gesetzt.
Über die Behandlung von Ursachen und Symptomen der Erkrankung, Entwicklungsstörung oder Behinderung hinaus gehören zu den wichtigen Förderzielen für das Kind:

  • Förderung der Wahrnehmung des Kindes, der Bewegung, der Interaktion und Kommunikation sowie der Sprache;
  • Vermittlung von Techniken, mögliche Defizite auszugleichen, zum Beispiel durch andere Fähigkeiten;
  • Unterstützung in der Entwicklung lebenspraktischer Fähigkeiten;
  • Unterstützung der sozialen und emotionalen Entwicklung.

Mobile und ambulante Hilfen

Frühförderstellen bieten neben der ambulanten Frühförderung oftmals auch eine sogenannte mobile Frühförderung an, damit die Angebote von möglichst allen betroffenen Eltern genutzt werden können. Bei der mobilen Frühförderung werden die betroffenen Familien zu Hause aufgesucht. Die Beratung der Eltern und die Förderung des Kindes finden somit in vertrauter Umgebung statt und die Gegebenheiten vor Ort können unmittelbar in die Förderung und Beratung mit einbezogen werden. In einigen Fällen ist die Betreuung auch im Kindergarten möglich, beispielsweise wenn die Eltern berufstätig sind oder eine Betreuung zu Hause aus anderen Gründen nicht möglich ist.

Bei der ambulanten Frühförderung findet die Beratung und Unterstützung in sogenannten Frühförderstellen statt. In diesem Fall haben Eltern zusätzlich zur Nutzung der Angebote auch Gelegenheit, andere Eltern kennen zu lernen, Kontakte zu knüpfen und sich auszutauschen. Sozialpädiatrische Zentren sind ausschließlich ambulant arbeitende Einrichtungen, die in der Regel einer örtlichen Klinik – meist einer Fachklinik der Kinder- und Jugendmedizin – angeschlossen sind.

Wo finden Eltern Hilfe und wer trägt die Kosten?

In Deutschland gibt es mehr als 1000 Einrichtungen und Stellen der Frühförderung (vgl. Linktipps am Textende). Regional bestehen allerdings sehr große Unterschiede, so dass es beispielsweise in ländlichen Regionen oft nur wenige Anlaufstellen gibt.

Kinderärzte und Kinderärztinnen, die meist die ersten Ansprechpartner sind, können in der Regel geeignete Stellen in der Nähe nennen und bei der Suche behilflich sein. Ebenso können sich Eltern an das örtliche Gesundheitsamt wenden.

Wenn Ihr Kinderarzt oder Ihre Kinderärztin die Behandlung verordnet, werden die Kosten von den Krankenkassen übernommen. Daneben besteht die Möglichkeit, die Kosten auf Grundlage des Bundessozialhilfegesetzes und des Kinder- und Jugendhilfegesetzes über die Sozialhilfeträger abzurechnen.

Die Leistungen zur Früherkennung und Frühförderung behinderter oder von Behinderung bedrohter Kinder sind in § 46 des Neunten Sozialgesetzbuches gesetzlich festgeschrieben. Da die Ausgestaltung dieser Leistungen nicht im Einzelnen festgelegt ist, können sich je nach Bundesland jedoch Unterschiede ergeben.