Schwierigkeiten bei der Sprachentwicklung erkennen
Weil Kinder in so unterschiedlichem Tempo sprechen lernen, ist es für Eltern oft nicht leicht zu beurteilen, ob ihr Kind altersgerecht spricht.
In einem Alter, in dem Kinder in der Regel schon ganz selbstverständlich mit Sprache umgehen können, haben manche Kinder eine undeutliche und schwer verständliche Aussprache oder reden nur wenige und unvollständige Sätze. Andere Kinder haben große Schwierigkeiten zu verstehen, was ihnen gesagt wird. Jungen sind deutlich häufiger betroffen als Mädchen.
Verzögerung oder Störung der Sprachentwicklung?
Wenn die Sprachentwicklung Ihres Kindes bis zum zweiten Lebensjahr der von anderen Kindern nachhinkt, also zeitlich deutlich verlangsamt verläuft, kann eine Sprachentwicklungsverzögerung vorliegen. Bemerkbar macht sich dies, wenn sein Wortschatz weniger als 50 Worte beträgt und/oder Ihr Kind noch nicht in der Lage ist, Sätze mit zwei Wörtern zu bilden. Liegt keine erkennbare körperliche oder geistige Beeinträchtigung vor, werden diese Kinder als Late Talker, also „Spät Sprechende“, bezeichnet. Aus gut der Hälfte dieser Late Talker werden sogenannte Late Bloomer („Spätzünder“), die im Laufe ihres dritten Lebensjahres bis hin zum Schulalter selbstständig das normale Sprach- und Sprechniveau erreichen.
Von einer Störung der Sprachentwicklung wird erst ab dem 3. Lebensjahr gesprochen, weil beim Kind nur wenige Aufholtendenzen in seiner sprachlichen Entwicklung zu bemerken sind. Diese sollte fachlich abgeklärt und gegebenenfalls behandelt werden. Je früher Auffälligkeiten beim Spracherwerb festgestellt werden – z. B. über fachlich gesicherte Fragebögen für Eltern –, umso erfolgreicher kann ein Kind in seiner Sprachentwicklung unterstützt werden.
Aussprachefehler sind beim Sprechenlernen normal
Nicht jede Auffälligkeit ist jedoch gleich eine Störung. Es kann bis zum vierten Lebensjahr dauern, bis ein Kind Lippen, Zunge und Kehlkopf sicher koordinieren kann. Und manchmal sind die kindlichen Gedanken schneller als das Sprechen, wodurch einiges durcheinander geht. Einige Fehler in der Aussprache sind beim Sprechenlernen durchaus normal, zum Beispiel:
- Auslassen von Lauten (schümmen statt schwimmen)
- Ersetzen von Lauten durch andere (geklettert statt gekleckert)
- Falsche Bildung von Lauten, zum Beispiel von Zischlauten (Kinderlispeln)
- Zusammenziehen von Worten (Mane statt Banane)
- Falsche Reihenfolge (Doni statt Dino, Luftabong statt Luftballon).
Zeitweiliges Stottern kommt häufig vor
Auch ein zeitweiliges Stottern ist nicht gleich Anlass zur Sorge. Etwa 5 Prozent der Kinder (mehr Jungen als Mädchen) stottern zwischen dem zweiten und fünften Lebensjahr von Zeit zu Zeit: Laute, Silben oder Wörter werden wiederholt oder der Sprechfluss wird durch Zögern und Innehalten unterbrochen. Bei den meisten Kindern geht dies wieder von selbst vorüber. Auch in den ersten Schuljahren kann sich zeitweilig noch ein Stottern einstellen, das sich aber schließlich ganz verliert.
Wenn das Stottern nicht nachlässt oder Sie Zweifel haben, ob das undeutliche Sprechen oder Stottern Ihres Kindes altersgerecht und „normal“ ist oder nicht, sprechen Sie mit Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin.
Mögliche Hinweise auf Sprachentwicklungsstörungen
Ob tatsächlich eine Störung der Sprachentwicklung bei einem Kind vorliegt, kann nur eine fachliche Diagnose feststellen. Mögliche Hinweise auf Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung sind unter anderem:
- Aussprachefehler wie „Nuller“ statt „Schnuller“, Verwechseln von Buchstaben wie „r“ und „l“ oder das Auslassen von Silben,
- Sätze aus zwei Worten (wie „Papa Ball“ für „Papa gib mir den Ball“) gelingen nicht,
- Der Wortschatz verbleibt unter 50 Wörtern, allgemeine Formulierungen wie „Dings“ oder „machen, gehen, wollen“ ersetzen die genauen Bezeichnungen,
- Grammatikfehler in Satzstellung wie „Mama kaufen geht“ oder Pluralbildung („die Baume“) halten an.
Wohlgemerkt: Diese „Fehler“ macht nahezu jedes Kind beim Lernen des Sprechens und der Sprache. Halten diese Auffälligkeiten jedoch gerade im dritten Lebensjahr und weiterhin an, sollten Sie ärztlichen Rat einholen.
Wann fachliche Hilfe erforderlich ist
Wenn Sie die beschriebenen oder ähnliche Verhaltensweisen bei Ihrem Kind beobachten, sollten Sie spätestens bei der nächsten U-Untersuchung mit Ihrem Kinderarzt oder Ihrer Kinderärztin darüber sprechen. Auch wenn Sie Zweifel haben, ob Ihr Kind gut hört, sollten Sie dem nachgehen, denn vor allem eine schlechte Aussprache kann auch durch Hörprobleme verursacht sein.
Eine Sprachentwicklungsstörung sollte in aller Regel von Fachärztinnen und -ärzten für Sprach-, Stimm- und kindliche Hörstörungen (Phoniatrie und Pädaudiologie) festgestellt und logopädisch behandelt werden. Je früher eine mögliche Verzögerung oder Störung in der Sprachentwicklung erkannt wird, umso größer sind die Erfolgsaussichten gezielter Fördermaßnahmen.