Die Bewegungsentwicklung beim Kind
Sobald ein Kind hierfür bereit ist, bringt es sich Kriechen, Sitzen, Aufstehen und Gehen selbst bei. Dabei können sich von Kind zu Kind enorme Unterschiede zeigen.
Kinder entwickeln ihre Beweglichkeit in einer großen zeitlichen Spannbreite und auf sehr unterschiedliche Weise. Sie suchen sich aus eigenem Antrieb die Erfahrungen, die sie mit der Zeit immer sicherer und geschickter werden lassen. Bei manchen Kindern ist die motorische Entwicklung aufgrund einer Erkrankung oder einer Behinderung beeinträchtigt oder deutlich verlangsamt. Sie brauchen besondere Anregung und Aufmerksamkeit und meist auch fachliche Unterstützung in ihrer Bewegungsentwicklung.
Jedes Kind entwickelt seine Beweglichkeit anders
Die meisten Kinder lernen das freie Gehen über Krabbeln, Robben, Kriechen, auf allen Vieren laufen. Andere lassen diese Zwischenstufen einfach aus, und einige Kinder entwickeln ihre ganz eigene Art der Fortbewegung: Sie schlängeln sich, rutschen oder rollen über den Boden, bevor sie gehen lernen. Auch was den Zeitpunkt betrifft, zeigen sich enorme Unterschiede: Manche Kinder beginnen schon zeitig mit dem freien Sitzen, andere tun dies erst sehr viel später.
Viele Kinder rollen sich schon sehr früh auf die Seite und in eine andere Lage, andere tun dies erst gegen Ende des ersten Lebensjahres. Und nicht nur das: Viele Kinder durchlaufen innerhalb weniger Monate mehrere Entwicklungsschritte der Körpermotorik fast nebeneinander, andere tun dies wohlgeordnet Schritt für Schritt.
Aber alle Kinder in unserem Kulturkreis, die sich normal entwickeln, können schließlich mit zehn Monaten frei sitzen.
Wann beginnt das freie Gehen?
Manche Kinder beginnen schon mit neun Monaten frei zu gehen, andere erst mit 18 Monaten. Die zeitliche Spannbreite ist enorm groß. Doch im Alter von 20 Monaten können sich bei einer normal verlaufenden Entwicklung alle Kinder unseres Kulturkreises frei und sicher gehend bewegen:
- Die meisten Kinder beginnen im Alter zwischen neun und 15 Monaten, sich an Stühlen, Tischbeinen und anderen Möbelstücken hochzuziehen und aufzustellen.
- Sobald sich Ihr Kind dabei einigermaßen sicher fühlt, beginnt es, sich an den Möbeln entlangzuhangeln und schließlich frei zu gehen.
Nun wird Ihr Kind diese neu erworbene Fähigkeit auf vielfältigste Art ausprobieren wollen – hin- und herlaufen, um den Tisch herumlaufen, fühlen, wie es sich auf Teppich, auf der Wiese, im Sand läuft, eine Türschwelle bewältigen. Dabei geht es Ihrem Kind nicht darum, ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Das Gehen an sich macht Sinn, und schon bald wird Ihr Kind in der Lage sein, sein Tempo immer besser der Situation und den Gegebenheiten anzupassen.
Manche Kinder können beispielsweise so mit ihren „Gehübungen“ beschäftigt sein, dass sie in anderen Entwicklungsbereichen für eine gewisse Zeit nur wenige Fortschritte machen. Sie legen vielleicht beim Sprechen eine Pause ein, zeigen wenig Interesse an Bilderbüchern oder Spielsachen. Das sollte kein Grund zur Sorge sein: Wenn das Kind nach einigen Wochen und Monaten ziemlich sicher geht, wird es sich auch in den anderen Bereichen wieder weiterentwickeln und „Versäumtes“ schnell nachholen.
Gefahrenpunkte entschärfen
Mit der wachsenden Mobilität nehmen auch die Unfallgefährdungen zu. Beseitigen oder entschärfen Sie Gefahrenpunkte in der Wohnung und im Garten, damit sich Ihr Kind gefahrlos und möglichst ohne große Einschränkungen bewegen kann.
Wichtig: Von sogenannten Lauflernhilfen ist unbedingt abzuraten. Sie erleichtern das Gehenlernen nicht und bergen größte Unfallgefahren.
Wachsende Geschicklichkeit
Mit dem freien Gehen wird das „Draußen“ immer verlockender und wichtiger zum Austoben. Auf dem Spielplatz, auf der Wiese, auf Spaziergängen im Park, Wald oder Feld lernt Ihr Kind, immer sicherer und geschickter mit seinem Körper umzugehen und eignet sich weitere Bewegungsfertigkeiten an:
- Vorwärts und rückwärts laufen,
- sich im Kreis drehen,
- klettern und hüpfen,
- über Pfützen springen,
- Treppen steigen,
- balancieren,
- Dreirad, Laufrad, Roller fahren.
Ihr Kind wendet seine neuen motorischen Fähigkeiten unter den verschiedensten Bedingungen an und verfeinert seine Koordination, Ausdauer und Muskelkraft. Für Sie als Eltern kann es dabei manchmal ganz schön anstrengend werden …
Bewegungserfahrungen geben Sicherheit
Als Eltern müssen und können Sie Ihrem Kind das Kriechen und Aufsitzen, das Gehen und Hüpfen, Springen und Klettern nicht beibringen. Doch Sie können es darin unterstützen, seine körperlichen Fähigkeiten in ihrer ganzen Bandbreite zu entfalten. Denn Kinder brauchen einen möglichst abwechslungsreichen Bewegungsraum mit vielfältigen Übungs- und Erfahrungsmöglichkeiten, die ihrem Alter und ihrer Entwicklung entsprechen. Nur so können sie lernen, ihren Körper zu beherrschen und immer sicherer und geschickter damit umzugehen. Sie finden hierbei ihre Möglichkeiten wie auch ihre Grenzen heraus, eignen sich nach und nach weitere Bewegungsfertigkeiten an und gewinnen Selbstvertrauen und Sicherheit.
- Geben Sie Ihrem Kind jeden Tag Gelegenheit, sich ausgiebig zu bewegen – zu laufen, rennen, klettern und toben.
- Besonders Kleinkinder brauchen jede Menge Erfahrungen im Klettern und Balancieren. Hierdurch werden sie immer geschickter und fallen viel seltener als allzu behütete Kinder.
- Keine Angst vor Schrammen! Helfen Sie Ihrem Kind nicht zu viel bei seinen „Turnübungen“. Lassen Sie es möglichst viel ausprobieren und stehen Sie nur bereit für den Fall, dass es gefährlich werden könnte.
Falls eine Beeinträchtigung der Bewegungsentwicklung vorliegt
Erkrankung oder Behinderung können die motorische Entwicklung des Kindes deutlich verzögern und beeinträchtigen. In manchen Fällen wird eine mögliche Behinderung auch erst aufgrund von Auffälligkeiten und Verzögerungen vor allem in der frühen Bewegungsentwicklung erkannt.
Wenn Sie unsicher sind und sich sorgen, Ihr Kind entwickle sich in seiner Beweglichkeit auffällig anders oder langsamer als gleichaltrige Kinder, sollten Sie sich spätestens bei der nächsten U-Untersuchung an Ihren Kinderarzt der Ihre Kinderärztin wenden. Frühförderung und geeignete therapeutische Maßnahmen können Ihrem Kind bestimmte Bewegungserfahrungen ermöglichen und es darin unterstützen, spezielle Bewegungsabläufe zu lernen. Mögliche Spätfolgen können hierdurch oftmals verhindert oder zumindest abgemildert und verzögert werden.
Neben der fachlichen Unterstützung sind es vor allem Ihre liebevolle Zuwendung, die Einbindung in das Familienleben und Gruppenaktivitäten mit anderen Kindern, welche die Bewegungsentwicklung wie auch die gesamte Entwicklung Ihres Kindes günstig beeinflussen.