Auf dem Weg zum Ich: Selbstwahrnehmung und Ich-Entwicklung beim Kind
Erst nach und nach empfindet sich ein Kind als eigenständige Person und entdeckt schließlich: Das bin ich!
Die ersten Monate: Wie sich erste Vorstellungen von sich selbst herausbilden
In den ersten Lebenswochen, in denen Sie und Ihr Kind miteinander vertraut werden und sich gegenseitig kennen lernen, empfindet sich Ihr Kind zunächst noch völlig eins mit Ihnen.
Doch gleichzeitig macht es im täglichen Miteinander und Austausch mit Ihnen die Erfahrung, dass es mit seinem Verhalten etwas bewirken kann: Wenn es hungrig ist und schreit, stillen Sie seinen Hunger. Wenn es Sie anlächelt, lächeln Sie zurück und beschäftigen sich mit ihm. Wenn es interessiert nach seinem Spielzeug schaut, reichen Sie es ihm.
Ihre „Antworten“ sind für Ihr Kind gleichsam ein Spiegel, in dem es sein eigenes Verhalten gespiegelt sieht. Hierdurch ist es immer mehr in der Lage, sich selbst zu empfinden. Mit etwa zwei, drei Monaten beginnt es, seinen Körper als etwas Eigenes, von Ihnen Getrenntes zu erleben, das es hören, sehen, fühlen kann. Es entwickelt allmählich eine Vorstellung von sich selbst.
Zum Ende des 1. Lebensjahres: Wann der eigene Wille erwacht
In den nächsten Monaten prägt sich das körperliche Selbstgefühl Ihres Kindes immer stärker aus. Es begreift sich zunehmend als eigenständige Person, die etwas bewirken und selbst machen kann.
Bereits mit Beginn des zweiten Lebensjahres entwickelt Ihr Kind seinen eigenen Willen und erfährt auch erste Grenzen, wenn es zum Beispiel die Küchenschublade trotz der vielen aufregenden Sachen darin nicht ausräumen darf. Da kann es unter Umständen zu ersten Tränen der Enttäuschung kommen. Hier sind Ihre Gelassenheit und Ihr Verständnis gefragt, damit Ihr Kind lernen kann, mit solchen Gefühlen umzugehen.
Zum Ende des 2. Lebensjahres: Das Kind entdeckt sein Ich
Gegen Ende seines zweiten Lebensjahres erkennt sich Ihr Kind erstmals im Spiegel. Hat es bis dahin eher einen Spielpartner in seinem Spiegelbild vermutet, so weiß es jetzt: Das bin ich! Bis Ihr Kind allerdings auch „Ich“ sagt, wenn es von sich redet, wird es meist noch einige Monate dauern.
Für Ihr Kind ist die „Entdeckung seines Ichs“ eine überwältigende Erfahrung:
- Es erfährt nun, dass es etwas wollen und sich zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden kann.
- Es weiß inzwischen, dass es etwas selbst machen kann. Das möchte es natürlich auch ausprobieren, auch wenn es allein einfach noch nicht immer klappt.
So großartig die neue Erfahrung Ihres Kindes ist, so zwiespältig und heftig können auch die Gefühle sein, denen es hierdurch zuweilen ausgesetzt ist und mit denen es allein noch nicht fertig werden kann. Hieraus kann nun manche konfliktreiche Situation entstehen – auch Trotzverhalten bekannt –, die für Ihr Kind wie auch für Sie selbst als Eltern nicht immer leicht ist:
- Ihr Kind braucht nun besonders Ihr Lob und Ihre Ermutigung, um sich üben und ausprobieren zu können.
- Ebenso wichtig ist es aber auch, Routinen und klare Strukturen beizubehalten, Grenzen zu setzen und Regeln festzulegen.
Grenzen und Regeln bedeuten nicht nur Einschränkung, sondern bieten Ihrem Kind – je älter es wird – auch Halt und Orientierung. Es sucht seine Grenzen, und dazu braucht es ein klares Ja ebenso wie ein freundliches, aber entschiedenes Nein.