Wenn Lärm krank macht
Hörminderung, Ohrgeräusche, körperliche Stressreaktionen, Schlafstörungen, Schwierigkeiten beim Lernen: Lärm kann auch schon Kinder belasten und krank machen.
12,8 Prozent der Kinder im Alter von 8 bis 14 Jahren haben auf mindestens einem Ohr und bei mindestens einem Ton einen Hörverlust von mehr als 20 Dezibel (dB). Dies gilt für mittlere und hohe Töne, dem Frequenzbereich, in dem sich lärmbedingte Gehörschäden vornehmlich niederschlagen. Dies ist eins der Ergebnisse des 2003 bis 2006 vom Umweltbundesamt durchgeführten Deutschen Umweltstudie zur Gesundheit.
Aber Lärm wirkt sich nicht nur auf das Hören aus. Insbesondere Umweltlärm, zum Beispiel Verkehrslärm an einer stark befahrenen Straße, kann den gesamten Organismus belasten.
Hörschädigungen: tückisch, weil oft lange unbemerkt
Kinderpistolen, platzende Luftballons, Spielzeugtrompeten oder Trillerpfeifen entwickeln extreme Lautstärken, die aber oftmals gar nicht empfunden werden: Knackfrösche und Spielzeugpistolen geben, ähnlich wie explodierende Feuerwerkskörper, impulsartige Geräusche ab. Diese sind sehr kurz und können deshalb gar nicht in ihrer vollen Lautstärke erfasst werden. Allerdings bedeutet dies nicht, dass ihre Wirkung deshalb weniger schädlich ist.
Unterschätzt wird häufig auch die Lautstärke von verstärkter Musik. Zwar liegen die Schallpegel in Diskotheken deutlich niedriger als bei lautem Spielzeug, Jugendliche sind ihnen aber meist stundenlang ausgesetzt. Ähnlich hohe Lärmpegel wie in Diskotheken können auch tragbare Musikgeräte wie mp3-Player und Smartphones erzeugen.
Wenn Sie sich Sorgen um das Hörvermögen Ihres Kindes machen oder gar eine Beeinträchtigung festzustellen glauben, lassen Sie sich vom Kinder- oder Jugendarzt bzw. von der -ärztin beraten.
Tückisch an Hörschädigungen ist, dass sie meist langsam und lange unbemerkt verlaufen. Häufig treten die Auswirkungen erst in einer späteren Lebensphase zum Vorschein, wenn sie nicht mehr rückgängig gemacht werden können.
Pfeifen, Rauschen oder ein dumpfes Gefühl im Ohr nach Schallüberlastung sind Zeichen einer meist vorübergehenden Hörschädigung (zeitweiliger Tinnitus). Denn die geschädigten Zellen im Innenohr können sich zunächst erholen. Dafür brauchen sie allerdings nötige Ruhepausen von zehn bis zwölf Stunden. Werden die Ohren jedoch häufig oder fortgesetzt überlastet, können chronisches Ohrenpfeifen oder sogar bleibende Schwerhörigkeit die Folgen sein.
Umweltlärm wirkt auf den gesamten Organismus
Umweltlärm, zum Beispiel durch Autoverkehr, Flugzeuge oder Bauarbeiten, wirkt sich weniger auf die Ohren aus, er kann vielmehr den gesamten Organismus belasten. Besonders in Großstädten herrscht eine dauerhafte Geräuschkulisse, der man sich nur schwer entziehen kann. Solche störenden Geräusche, denen wir uns nicht entziehen können, führen zu Ärger und Unzufriedenheit, zu Unwohlsein und zu körperlichen Stress-Symptomen wie Kopfschmerzen, Nervosität, Kreislaufstörungen, Magen-Darm-Beschwerden.
Aus einer vielleicht gelegentlichen Befindlichkeitsstörung können nach und nach dauerhafte (chronische) Beschwerden entstehen. Dies gilt auch für Kinder: Eine Studie, die im Umfeld des Münchner Flughafens durchgeführt wurde, konnte bei den Kindern Schlafstörungen, Erhöhung des Blutdrucks sowie vermehrte Ausschüttung von Stresshormonen als Folgen des Lärms nachweisen. Weitere Studien haben festgestellt, dass im Einzugsbereich von Flughäfen die schulische Leistungsfähigkeit von Kindern durch den Fluglärm deutlich eingeschränkt wird.
Lärm und seine Wirkung auf die Gesundheit
Wie Lärm den Körper belastet, kann eindeutig gemessen und nachgewiesen werden. Eine Übersicht über alltägliche Hörereignisse und ihre Wirkung.
herunterladen zum PDF-Service hinzufügen aus PDF-Service entfernenWie Lärm den Körper belastet
Wie Lärm den Körper belastet, kann eindeutig gemessen und nachgewiesen werden. Die Maßeinheit für die Stärke des Schalls bezogen auf das Gehör des Menschen ist Dezibel A oder kurz dB (A):
- Nächtlicher Verkehrslärm mit 55 dB (A) führt zu Störungen des Schlafs, die längerfristig die Gesundheit schädigen.
- Dauerschallpegel über 80–85 dB (A), wie sie zum Beispiel durch eine Stadtautobahn oder in einer lauten Diskothek erzeugt werden, können bei längerer Einwirkung bleibende Gehörschäden hervorrufen.Schalldruckpegel ab 120–130 dB (A), die beispielsweise auf Rockkonzerten in Lautsprechernähe entstehen, liegen im Bereich der Schmerzschwelle und können schon bei kürzerer Einwirkzeit zu Gehörschäden führen.
- Pegelspitzen über 135 dB (A) können schon bei einzelnen Schallereignissen Gehörschäden hervorrufen. Solche Pegelspitzen erreichen mit 140 bzw. 170 dB (A) zum Beispiel ein Knackfrosch oder eine Spielzeugpistole direkt am Ohr.
Laut & leise – Tipps für Eltern
Kinder und Jugendliche brauchen Freiräume zum Lautsein. Lautsein macht Spaß und lautes Lachen, Schreien, Kreischen und Quieken sind Ausdruck von Lebenslust und Freude. Lustvolles Lautsein und entspannende Ruhe sind keine Gegensätze, sondern wichtige, einander abwechselnde Phasen.
- Seien Sie als Eltern auch im Umgang mit Stille und Lärm Vorbild. Anhand der Checkliste „Laut und leise – wie und wann?“ bei den Downloads können Sie Ihren Alltag einmal auf laute und stille Phasen hin analysieren.
Tipp: Gestatten Sie sich und Ihren Kindern nach einem Arbeits- oder Alltag zum Beispiel, erst einmal etwas „Ruhe zu haben“ (etwa 30 Minuten), und zwar jede und jeder auf bevorzugte Weise – „aufs Ohr legen“, etwas malen, puzzeln, Kreuzworträtseln. Hauptsache angenehm und geräuscharm. Kinder sträuben sich vielleicht zunächst, weil sie am liebsten sofort von ihren Erlebnissen am Tag erzählen möchten. Aber meist wissen sie dieses Ritual recht bald zu schätzen, wenn sich ihnen die Eltern anschließend weniger gereizt und mit „offenen Ohren“ zuwenden.
- Gedämpftes Licht dämpft auch die Lautstärke: Kerzenlicht beim gemeinsamen Abendessen unterstützt zum Beispiel eine ruhige Unterhaltung.
- Spazieren Sie regelmäßig gemeinsam durch Wald und Wiesen. Solche Spaziergänge sorgen nicht nur für Bewegung an der frischen Luft, sie sind auch für die Ohren eine Erholung vom Alltagslärm und fördern die Wahrnehmung leiser Geräusche in der Natur.
Tipp: Spielen Sie auf einem solchen Spaziergang doch einmal das Spiel „Ich höre was, was du nicht siehst“: Bleiben Sie an einer beliebigen Stelle im Wald stehen und bitten Sie ein Familienmitglied, alle Dinge zu nennen, die es sieht. Anschließend schließen Sie die Augen und beschreiben die Geräusche, die Sie wahrnehmen. Sie werden erstaunt sein, was dem Auge entgeht.
- Kaufen Sie keine lärmenden Spielsachen. Auch Spieldosen und Quietschtiere dürfen nicht so laut sein, dass sie das Gehör schädigen könnten, wenn man sie ans Ohr hält.
- Verzichten Sie möglichst auf Dinge wie Spielzeugpistolen, Knackfrösche, Kindertrompeten und andere, vergleichbar laute und gefährliche Gegenstände, die strenggenommen kein Spielzeug sind (dann dürften sie nicht so laut sein), sondern zu den Scherzartikeln zählen.
- Wählen Sie beim Kauf eines tragbaren Musikgeräts nach Möglichkeit eins mit automatischer Lautstärkebegrenzung, um die Lautstärke auf einen bestimmten Höchstwert zu begrenzen.
Wenn ein Hörschutz für Ihr Kind nötig ist
Bei einigen Gelegenheiten und Umständen sind Babys und kleine Kinder Lärm beziehungsweise sehr lauten Geräuschen ausgesetzt: bei Feiern (Hochzeiten, Partys etc.), Arbeiten im oder am Haus (Bohrmaschine, Rasenmäher, Staubsauger o. Ä.), bei Veranstaltungen (in Sportstadien, Karnevalsumzügen, Konzerten, Feuerwerk usw.) oder auch bei Reisen (z. B. wenn ein Flugzeug startet).
Eine gewisse Orientierung darüber, wie laut es gerade ist, geben (auch kostenlose) Smartphone-Apps, die die Umgebungs-Lautstärke messen. Übersteigen die Werte regelmäßig 75 dB (Dezibel), und Sie können der Lärmquelle nicht ausweichen, sollten Sie für sich und für Ihr Kind einen Hörschutz benutzen. Das gilt natürlich auch immer dann, wenn es Ihnen oder Ihrem Kind einfach so zu laut ist.
Für kurze Zeit können Sie Ihrem Kind zwar die Ohren zuhalten, aber auf die Dauer empfiehlt sich ein fester Gehörschutz, wobei Sie zwischen zwei verschiedenen Ausführungen wählen können:
- Gut geeignet (auch für Kinder unter 3 Jahren; nicht für Neugeborene) sind sogenannte Kapselohrschützer oder Over-Ear-Schützer. Für Kinder werden spezielle Modelle im Fachhandel angeboten (Altersangabe beachten!). Nicht zu verwechseln sind sie mit Kopfhörern zur Musikwiedergabe. Sie umschließen die gesamte Ohrmuschel bzw. decken sie ab und werden von einem Bügel oder einem Band mit möglichst wenig Druck auf Kopf und Ohren in Position gehalten. Es gibt gerade für Kinder schön gestaltete leichte Kapselohrschützer, auch Mickey-Maus-Ohrschützer genannt. Sie sollten gut gepolstert sein und einen hohen Tragekomfort haben, mit dem CE-Zeichen (DIN EN 352) versehen und gut zu reinigen sein.
Achten Sie auf die Angabe eines SNR-Wertes, der das durchschnittliche Ausmaß der Schutzwirkung angibt. Ein SNR-Wert von zum Beispiel 35 dB dämmt eine Lärmbelastung von 100 dB auf 65 dB herunter. - Ohrstöpsel bzw. In-Ear-Ohrschützer (z. B. aus Schaumstoff oder Silikon) können ab dem Alter von drei Jahren verwendet werden. Sie haben jedoch den Nachteil, dass Sie als Eltern nicht überprüfen können, ob sie richtig sitzen. Sie sollten nur mit großer Vorsicht in den äußeren Gehörgang eingeführt werden. Es gibt auch individuell angepasste Ohrstöpsel. Probieren Sie unbedingt vorher aus, ob Ihr Kind damit zurecht kommt.
Für Neugeborene gibt es einen aufklebbaren Gehörschutz.
Tipp: Um Ihrem Kind das Tragen eines Gehörschutzes zu erleichtern, probieren Sie Folgendes einmal aus:
- Setzen Sie selbst einen Hörschutz auf.
- Lassen Sie das Kind einen Ohrenschützer auswählen.
- Erzählen Sie Ihrem Kind, welche Veranstaltungen nur mit einem Hörschutz besucht werden können.
- Lassen Sie Ihr Kind Bilder malen, wann es besonders laut ist und ein Ohrschutz sinnvoll sein kann.